Unerklärliche Vielfalt des Alterns
Neue Daten belegen, wie unterschiedlich Alternsprozesse ablaufen – und wie wenig die Wissenschaft weiß warum
8. Dezember 2013
Obwohl Alterung momentan in den Medien Dauerthema ist, haben Wissenschaftler keine schlüssige Erklärung dafür. Neue demografische Daten von Menschen, Tieren und Pflanzen decken eine solch außerordentliche Vielfalt von Alterungsverläufen auf, dass jede evolutionäre Theorie bei deren Begründung versagt. Sowohl die Lebensspannen als auch die Sterblichkeiten unterscheiden sich je nach Spezies. Selbst die Tatsache, dass mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit zu sterben, zunimmt, stimmt zunächst für den Menschen, gilt aber nicht grundsätzlich. Das zeigt ein einzigartiger Katalog von 46 Arten und deren jeweiligen Sterblichkeiten und Geburtenraten, der nun im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht wurde. Er ist das Ergebnis jahrelanger Datensammlung unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock und des Max-Planck Odense Centers on the Biodemography of Aging (MaxO) in Odense, Dänemark.
Max-Planck-Wissenschaftler haben einen Katalog von 46 Arten und deren jeweiligen Sterblichkeiten und Geburtenraten erstellt. Bild vergrößern
Max-Planck-Wissenschaftler haben einen Katalog von 46 Arten und deren jeweiligen Sterblichkeiten und Geburtenraten… [mehr]
© Owen Jones (MaxO), Alexander Scheuerlein (MPIDR) et. al/ Nature 2013
Die bisherigen Erklärungen für den Alternsprozess scheitern nicht nur an höchst unterschiedlichen Lebensspannen von wenigen Tagen (Fruchtfliege) über Jahrzehnte (Mensch) bis hin zu Jahrhunderten (Süßwasserpolyp), sondern auch an den Sterblichkeiten. Gängige Theorien gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit zu sterben mit dem Alter zunimmt – wie beim Menschen. Nun katalogisierten die Forscher jedoch Arten wie Mangroven oder die Kalifornische Gopherschildkröte, deren Wahrscheinlichkeit zu sterben mit dem Alter sinkt. Auch die Fruchtbarkeitsperioden einiger Spezies fordern die Theorien heraus. „Unsere Studie führt uns vor Augen, dass Altern eins der am wenigsten verstandenen Phänomene der Biologie ist“, sagt Owen Jones von MaxO. „Die von uns nachgewiesene Vielfalt der Alterungsmuster war unerwartet angesichts der Voraussagen klassischer Theorien zur Evolution des Alterns“, ergänzt Alexander Scheuerlein vom MPIDR.
Bisherige Versuche, die Alterung evolutionär zu begründen, gehen davon aus, dass ein Lebewesen nur so lange in den Erhalt seines Körpers investiert, bis es sich erfolgreich vermehrt und seine Nachkommen großgezogen hat. Je näher das Ende der Fortpflanzungsphase rückt, desto mehr müsste der Körper demnach verfallen – er altert. Für den Menschen trifft das allerdings nur bedingt zu: Zwar gibt die Nature-Studie für moderne Japanerinnen an, dass ihre Sterblichkeit beständig steigt. Dennoch leben die Menschen weit bis über die Zeit hinaus, in der sie Kinder bekommen. Sie bleiben heute oft bis ins Großelternalter fit und ihre Sterbewahrscheinlichkeit entsprechend klein. Erst in höherem Alter wächst die Sterblichkeit rapide an und erreicht für Japanerinnen mit etwa 100 Jahren sogar das über 20-Fache des Lebensdurchschnitts.
Damit ist der Mensch aber ein absoluter Außenseiter. Für keine andere Spezies im Katalog der Forscher steigt die Sterbewahrscheinlichkeit so radikal an. Selbst unter Säugetieren erreicht sie höchstens das Fünffache des Lebensdurchschnittes. Wieso die Evolution solch große Unterschiede hervorgebracht hat, ist Biologen bisher ein Rätsel.
Für etliche Arten steht die Alterung Kopf
Vollends kapitulieren die aktuellen Denkmodelle angesichts zweier Gruppen von Spezies, für die die Alterung buchstäblich Kopf steht: Zum einen gibt es Arten, deren Sterblichkeit sich über das gesamte Leben nicht verändert, wie den Süßwasserpolypen Hydra oder den Einsiedlerkrebs. Ihr Körper scheint nicht zu degenerieren, während die Lebenszeit verstreicht. Andere Arten erleben mit zunehmendem Alter sogar, dass die Wahrscheinlichkeit zu sterben immer kleiner wird: etwa die Farbwechselnde Gorgonie (eine Koralle), die Eiche mit dem lateinischen Namen Quercus Rugosa oder die Kalifornische Gopherschildkröte. Auch sie sind irgendwann tot, denn ihr Sterberisiko wird niemals Null. Aber wenn sie alt sind, ist es für sie wahrscheinlicher, den nächsten Geburtstag zu erleben, als in der Jugend.
Mit noch einer Vorstellung räumt die neue Datensammlung auf: Dass Spezies, die besonders kurz leben, am stärksten altersbedingt abbauen. Manchmal ist eher das Gegenteil wahr: So verläuft die Sterblichkeit der Nordischen Wühlmaus ziemlich stabil – sie steigt zum Lebensende lediglich auf knapp das Doppelte des Lebensdurchschnitts. Trotzdem wird diese Wühlmaus fast nie älter als ein Jahr. Menschen hingegen erleben inzwischen immer häufiger ein ganzes Jahrhundert, obwohl ihr Sterberisiko mit dem Alter geradezu in den Himmel schießt (bis auf über das 20-Fache des Lebensdurchschnittes).
Daten weisen Weg zu einheitlicher Theorie des Alterns
„Erstaunlicherweise scheint es in der Natur kaum einen Typ von Lebensverlauf zu geben, den man nicht finden kann“, sagt MaxO-Forscher Owen Jones. Das gelte nicht nur für die Sterblichkeit, sondern auch für die Fruchtbarkeit. Während menschliche Frauen nur in einer recht kurzen Phase in der ersten Lebenshälfte Kinder bekommen und dann unfruchtbar werden, nimmt die Fertilität etwa für den Alpensegler bis kurz vor dem Lebensende kräftig zu. Und der Steppenpavian bekommt sein Leben lang Junge, ohne dass sein Alter daran viel ändern würde.
„Uns fehlt auch deswegen immer noch eine einheitliche Theorie des Alterns, weil uns die bisher sehr spezielle Auswahl biologischer Daten den Blick versperrt hat“, sagt Biodemograf Alexander Scheuerlein vom MPIDR. So gäbe es schon lange hochwertige demografische Angaben für Hunderte von Säugetieren und Vögeln, kaum aber für andere Wirbeltiere oder wirbellose Arten. Extrem wenig wisse man über Algen, Pilze und Bakterien. Um zu verstehen, warum die Evolution das Altern geschaffen hat, müssten endlich umfangreichere Daten über alle Arten gesammelt werden.
Gift in Bananenwurzeln tötet Schädlinge
Die gezielte Anreicherung von Abwehrstoffen im Wurzelgewebe schützt Bananenpflanzen vor parasitischen Fadenwürmern
11. Dezember 2013
Für etwa 400 Millionen Menschen in den Ländern der tropischen und subtropischen Regionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zählen Bananen zu den Grundnahrungsmitteln. Die weltweite Bananenernte ist jedoch durch Schädlinge stark gefährdet. Ein internationales Forscherteam um Dirk Hölscher vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hat entdeckt, dass manche Bananenpflanzen Abwehrstoffe gegen den Fadenwurm Radopholus similis zielgenau in den befallenen Wurzelbereichen anreichern können. Diese Fähigkeit entscheidet darüber, ob eine Bananensorte widerstandsfähig gegen den Bananenschädling ist. Im Körper der Parasiten bilden sich Fetttröpfchen, die den Abwehrstoff speichern und zum Tod der Nematoden führen. Die Erkenntnisse können dazu beitragen, schädlingsresistente Bananensorten zu entwickeln.
Wurzeln der nicht-resistenten Bananensorte Grande Naine (oben) und der resistenten Bananensorte Yangambi km5 (unten):… [mehr]
© MPI f. chemische Ökologie/Dirk Hölscher
Bananen gehören weltweit zu den wichtigsten Nahrungspflanzen. Es handelt sich dabei nicht nur um Dessertbananen. Diese werden vor allem in China und Indien für den Eigenbedarf produziert, während aus Lateinamerika in großen Mengen in unsere Breiten importierte Bananen nach Äpfeln das beliebteste Obst darstellen. In Afrika und Südostasien auf dem Speiseplan stehende Kochbananen haben ebenfalls eine große Bedeutung. Wegen ihres hohen Gehalts an Nährstoffen wie Kalium, Magnesium, sowie Vitamin B und C wird die Kochbanane auch als die „Kartoffel der Tropen“ bezeichnet.
Neben Pilzen und Insekten gilt der Nematode Radopholus similis als einer der Hauptschädlinge von Bananen. Der wenige Millimeter lange Wurm befällt die Wurzeln der Bananenpflanzen, verursacht Kümmerwuchs und im Endstadium der Krankheit ein Umfallen der Bananenpflanze − oftmals dann, wenn die Früchte noch nicht erntereif sind. Ernteverluste von bis zu 75 Prozent können die Folge sein. Um den Schädlingsbefall einzudämmen, werden im Bananenanbau hohe Dosen von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt, die nicht nur massive ökologische Schäden verursachen, sondern mit hohen gesundheitlichen Risiken für die Menschen, die mit den Chemikalien in Berührung kommen, verbunden sind.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie haben zusammen mit Kollegen der Universitäten Löwen (Belgien), Jena, Kassel-Witzenhausen, Halle, Bonn und Bremen, sowie des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie und des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien in Jena die Wirkungszusammenhänge der Anfälligkeit bzw. Resistenz gegen diesen bedeutenden Bananenschädling genauer unter die Lupe genommen. Dazu untersuchten sie die Wechselwirkungen von Radopholus similis mit einer für diesen Schädling anfälligen und einer resistenten Bananensorte.
Mithilfe modernster spektroskopischer Analysemethoden und bildgebender Verfahren konnten die Forscher nachweisen, dass die Abwehrstoffe der Banane, sogenannte Phenylphenalenone, nur in den von Nematoden infizierten Regionen der Wurzeln angereichert werden, nicht jedoch im gesunden Gewebe. Dies traf allerdings sowohl für die resistente Sorte, als auch für die anfällige Sorte zu. Der Gehalt des Wirkstoffs Anigorufon war jedoch im Befallsbereich der resistenten Bananenpflanze deutlich höher als im Wurzelgewebe der anfälligen Banane, das ebenfalls von dem Schädling infiziert worden war. „Die Produktion des Abwehrstoffs allein macht die Banane noch nicht resistent. Vielmehr ist die gezielte Anreicherung in ganz bestimmten Regionen, nämlich genau dort, wo die Nematoden die Wurzel beschädigen, entscheidend. In diesen eingegrenzten Bereichen haben wir bei der resistenten Sorte weit höhere Werte gemessen“, fasst Dirk Hölscher die Ergebnisse zusammen.
Mikroskopische Aufnahme des Fadenwurms Radopholus similis: In dem Nematoden sind deutlich die Fetttröpfchen zu… [mehr]
© Universität Löwen, Belgien/ S. Dhakshinamoorthy
Die toxische Wirkung von Anigorufon und anderen Substanzen wurde anschließend an lebenden Nematoden getestet. Es stellte sich heraus, dass Anigorufon den Schädling tatsächlich am wirksamsten abtötete. Die Forscher konnten das Pflanzengift im Körper des Fadenwurms sichtbar machen. Dort bildeten sich Fetttröpfchen, die das fettlösliche Anigorufon speicherten und sich durch Zusammenfließen weiter vergrößerten bis dies den Tod des Wurms verursachte. Warum es zur Bildung dieser komplexen Lipidtropfen kommt und warum die Nematoden das Gift nicht abbauen oder ausscheiden können, bleibt noch zu klären. Wahrscheinlich verdrängen die immer größer werdenden Tropfen die inneren Organe des Fadenwurms und bringen seinen Stoffwechsel schließlich zum Erliegen.
Die Wissenschaftler möchten jetzt herausfinden, wie die Biosynthese und der Transport der Abwehrstoffe in der resistenten Banane auf molekularer Ebene funktionieren und gesteuert werden. Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung von resistenten Bananensorten beitragen. Damit könnte der exzessive Einsatz von hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln bei der Bananenproduktion eingedämmt werden, der nicht nur die Umwelt, sondern auch das Leben von Menschen gefährdet.
AO/HR
Enzym stoppt Alterungsprozesse in Zellen
Reparaturenzym beseitigt durch freie Radikale verursachte DNA-Schäden
13. Dezember 2013
Jede Zelle benötigt zur Verrichtung ihrer Aufgabe Energie, die sie in zelleigenen Kraftwerken selbst produziert, den Mitochondrien. Diese arbeiten allerdings nicht fehlerfrei, so dass sogenannte freie Radikale entstehen. Die Zellgifte schädigen unter anderem die Mitochondrien-eigene DNA. Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim ist es nun zusammen mit einem internationalen Forscherteam gelungen, in Herzmuskelzellen von Mäusen einen Schutzmechanismus zu installieren, der die Schäden an der Mitochondrien-DNA weitestgehend verhindert. Sie hoffen, dass sie damit einen Ansatz gefunden haben, wie die Zellalterung wirksam verhindert werden kann.
Twinkle hält das Herz jung: Die Abbildungen zeigen Querschnitte durch die beiden Herzkammern, aufgenommen mit Hilfe der… [mehr]
© MPI f. Herz- und Lungenforschung
Kaum ein anderer Zelltyp leistet derart viel wie Herzmuskelzellen. Für ihre Kontraktionsarbeit benötigen sie extrem viel Energie. Deshalb sind in Herzmuskelzellen besonders viele Mitochondrien zu finden. Diese Kraftwerke der Zelle produzieren den Treibstoff, das ATP. Ganz ähnlich wie bei Industriekraftwerken entstehen dabei Schadstoffe. Diese als freie Radikale bezeichneten hochreaktiven Substanzen entstehen in den Mitochondrien beim Veratmen von Sauerstoff, weil die Energiegewinnung an einigen Punkten nicht fehlerfrei abläuft.
Freie Radikale sind Zellgifte. Den Mitochondrien wird dabei vor allem zum Verhängnis, dass sie eine eigene Erbinformation besitzen, die Mitochondrien-DNA. Diese wird von den Radikalen attackiert. Über einen langen Zeitraum führt dies zu Schäden an der DNA und den Mitochondrien insgesamt, obwohl verschiedene Reparaturmechanismen existieren. Dieser Prozess wird als wesentlicher Faktor für die Alterung und das Absterben von Zellen angesehen.
Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Thomas Braun am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun zusammen mit Kollegen aus den USA und Finnland nach Wegen gesucht, die Schädigung der Mitochondrien durch freie Radikale zu verhindern. Dabei verwendeten sie zunächst bestimmte gentechnisch veränderte Mäuse. Diesen fehlt ein Gen für ein Enzym, das eigentlich den größten Teil der entstehenden Radikale unschädlich macht. „Mäuse, denen das Enzym komplett fehlt, sterben gleich nach der Geburt. Deshalb haben wir bei unseren Mäusen lediglich eine der beiden Genkopien ausgeschaltet“, erklärt der Leiter der Studie Jaakko Pohjoismäki. Die Mäuse zeigten im Vergleich zu Kontrolltieren deutlich mehr Schäden an der Mitochondrien-DNA. In der Folge nahmen die Schäden am Herzmuskel mit zunehmendem Alter der Tiere zu. „Wir beobachteten typische alterungsbedingte Krankheitssymptome wie Herzmuskelschäden“, so Braun.
An derart vorbelasteten Tieren versuchten die Wissenschaftler nun die Reparatur der geschädigten DNA zu optimieren. „Die Mäuse erhielten eine zusätzliche Kopie eines Gens mit dem Namen Twinkle, das normalerweise in Herzmuskelzellen nur relativ schwach aktiv ist. Dieses kodiert für ein Enzym, das für die „Aufwicklung“ der Erbsubstanz DNA bei der Vermehrung von Mitochondrien zuständig und für die Reparatur der DNA wichtig ist“, erläutert Pohjoismäki. Ist es vermehrt aktiv, nimmt die mitochondriale DNA eine andere Organisationsform an, welche die DNA widerstandsfähiger oder einfacher reparierbar machen könnte.
Und genau dieses geschah nun bei den Mäusen: „Im Gegensatz zu den erwähnten Schädigungen bei den Mäusen ohne Twinkle blieben die Schäden an der Mitochondrien-DNA bei den Tieren mit erhöhter Expression von Twinkle weitestgehend aus“, sagt Pohjoismäki. Dadurch werden weniger Mitochondrien zerstört und weniger Herzmuskelzellen sterben ab. Folglich wird auch der Herzmuskel nicht geschädigt.
Aus Sicht der Max-Planck-Forscher ist es in der Studie gelungen, die Toleranz der Herzmuskelzellen gegen wichtige Zellgifte wie die freien Radikale zu steigern. „Freie Radikale spielen nicht nur bei der Zellalterung, sondern auch bei akuten Erkrankungen wie dem Herzinfarkt eine wichtige Rolle. Deshalb hoffen wir, dass wir die Grundlage für neue Therapien schaffen konnten“, so Braun. Zudem ergeben sich nach seiner Meinung auch Ansätze dafür, die durch die freien Radikale verursachten Alterungsprozesse in den Zellen zu verlangsamen.
MH/HR
Freundschaft geht durch den Magen
Schimpansen, die ihre Nahrung mit anderen teilen, haben mehr Oxytocin-Hormon im Urin
15. Januar 2014
Soziale Beziehungen tragen maßgeblich zum biologischen Erfolg des Menschen bei. Über ihre Entstehung und die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen ist jedoch wenig bekannt. Das Hormon Oxytocin spielt dabei aber eine Schlüsselrolle. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben die Oxytocin-Werte im Urin frei lebender Schimpansen gemessen. Die Hormonkonzentration ist nach dem Teilen von Nahrung bei Spender und Empfänger höher als nach einer Nahrungsaufnahme in Gesellschaft, bei der nicht geteilt wurde. Der Oxytocinspiegel war sogar höher als nach der gegenseitigen Fellpflege, was darauf hindeutet, dass das Teilen von Nahrung für den Auf- und Ausbau sozialer Beziehungen sogar noch wichtiger sein könnte. Den Forschern zufolge sind beim Futterteilen möglicherweise dieselben neurobiologischen Mechanismen beteiligt, die die Mutter-Kind-Bindung während des Stillens bilden und fördern. Nahrung mit anderen zu teilen könnte also kooperative Beziehungen unter nicht miteinander verwandten erwachsenen Schimpansen sogar erst auslösen.
Schimpansen teilen nach der Jagd das Fleisch eines roten Stummelaffen untereinander auf.
© Roman M. Wittig / Taï Chimpanzee Project
Menschen und einige andere Säugetiere bauen zu nicht verwandten Erwachsenen kooperative Beziehungen auf, die mehrere Monate oder Jahre dauern können. Aktuellen Studien zufolge ist daran das Hormon Oxytocin beteiligt, das die Mutter-Kind-Bindung herstellt und aufrechterhält. So steigt bei Schimpansen nach der gegenseitigen Fellpflege zwischen Kooperationspartnern der Oxytocinspiegel, egal ob diese miteinander verwandt sind oder nicht.
Um herauszufinden, ob es zwischen dem Teilen von Futter und der Ausschüttung des Hormons Oxytocin bei unseren nächsten Verwandten einen Zusammenhang gibt, haben Roman Wittig und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie 79 Urinproben von 26 frei lebenden Schimpansen aus dem Budongo Forest in Uganda gesammelt und analysiert. Die Forscher fingen die Proben innerhalb der ersten Stunde nach dem beobachteten Verhalten (Futter teilen oder Futter essen ohne zu teilen) auf, denn nur innerhalb dieses Zeitfensters ist das Oxytocin im Urin nachweisbar. Das Ergebnis: Der Oxytocinspiegel im Urin von Schimpansen, die mit anderen Gruppenmitgliedern Futter geteilt hatten, war wesentlich höher als bei denen, die, obwohl in Gesellschaft, Essen nicht teilten. „Dabei spielte es keine Rolle, wer Futter gegeben und empfangen hat oder ob die Tiere miteinander verwandt waren oder nicht. Auch ob sie Kooperationspartner waren oder nicht oder ob sie Fleisch oder anderes Futter miteinander teilten, hatte keinen Einfluss auf die Oxytocinwerte”, sagt Wittig.
Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass der Oxytocinspiegel nach dem Teilen von Nahrung sogar noch höher war als nach der gegenseitigen Fellpflege, einem häufigen kooperativen Verhalten unter Schimpansen. Das könnte bedeuten, dass das Teilen von Futter einen noch stärkeren positiven Effekt auf den Aufbau und Erhalt von sozialen Bindungen hat als die Fellpflege. „Futter mit anderen zu teilen könnte ein Schlüsselverhalten für den Aufbau sozialer Beziehungen unter Schimpansen sein“, sagt Wittig. „Da es für Spender und Empfänger gleichermaßen von Vorteil ist, ist dieses Verhalten möglicherweise sogar ein Auslöser oder ein Anzeichen für den Beginn einer kooperativen Beziehung.“
Die Forscher vermuten, dass das Teilen von Nahrung möglicherweise neurobiologische Mechanismen aktiviert, die ursprünglich der Festigung der Mutter-Kind-Bindung während des Stillens dienten. „Zunächst entstand dieser Mechanismus, um die Mutter-Kind-Bindung über das Abstillen hinaus zu festigen”, sagt Wittig. „Die Funktion, kooperative Beziehungen zwischen nicht miteinander verwandten Individuen aufzubauen und zu erhalten, könnte dann später hinzugekommen sein.“
Die lateinischen Wurzeln des Wortes Kumpan (“com=mit”, “panis=Brot”) deuten unter Umständen auf einen ähnlichen Mechanismus beim Aufbau von Freundschaften beim Menschen hin. Ob der Oxytocinspiegel beim Menschen nach dem Teilen einer Mahlzeit tatsächlich höher ausfällt als beim „alleine Essen“, wird Gegenstand zukünftiger Studien sein.
SJ, RW/HR
Ameisen schützen Akazienpflanzen vor Krankheitserregern
Forscher entdecken weitere Ebene in der Symbiose zwischen Insekt und Pflanze
15. Januar 2014
Was in der heutigen Sprache von Wirtschaft und Politik eine „win-win“-Situation, das ist in der Biologie eine Symbiose: die Beziehung zweier Arten, bei dem beide Partner voneinander profitieren. Die Symbiose von Akazienpflanzen mit den auf ihnen siedelnden Ameisen ist dafür ein hervorragendes Beispiel: Die Pflanze stellt Kost und Logis in Form von Futterkörperchen und Nektar sowie hohlen Dornen für die Behausung zur Verfügung. Die Ameisen revanchieren sich, indem sie die Pflanze gegen Fraßfeinde verteidigen. Dass sie auch indirekt schädliche Erreger auf der Pflanze in Schach halten, haben jetzt Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena herausgefunden. Die Anwesenheit von Ameisen reduziert deutlich die Bakterienbesiedelung auf der Blattoberfläche und fördert sichtbar die Gesundheit der Akazie. Untersuchungen weisen darauf hin, dass in den Ameisen siedelnde symbiontische Bakterien Krankheitserreger auf der Blattoberfläche der Pflanze hemmen.
Blätter von Acacia hindsii, die von symbiotischen (links) oder von parasitischen Ameisen (rechts) besiedelt… [mehr]
© MPI f. chemische Ökologie/ M. González-Teuber
Als Ameisenpflanzen werden Pflanzen bezeichnet, die mit Ameisen eine symbiotische Lebensgemeinschaft bilden. Zu ihnen gehört auch die Akazienart Acacia hindsii, die in den tropischen Trockenwäldern Mittelamerikas beheimatet ist. Ihre Bewohner sind Ameisen der Gattung Pseudomyrmex. Die Ameisen sind abhängig von ihrer Wirtspflanze, die ihnen neben Nektar protein- und fettreiche Futterkörperchen als Nahrung zur Verfügung stellt. Die Akazie bietet auch Unterkünfte an, sogenannte Domatien in Form von Hohlräumen in den vergrößerten Dornen. Als Gegenleistung für Nahrung und Behausung macht sich die Ameisenart Pseudomyrmex ferrugineus nützlich und verteidigt als Schutzpatrouille ihre Wirtspflanze gegen Fraßfeinde und konkurrierende Pflanzen. Diese Art von Symbiose wird auch als Mutualismus bezeichnet, denn beide Symbiosepartner profitieren wechselseitig von ihrem Zusammenleben. Es gibt aber auch Ameisen, die die Dienste der Pflanze ohne Gegenleistung in Anspruch nehmen, wie die parasitische ArtPseudomyrmex gracilis.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie sind nun der Frage nachgegangen, ob die kleinen Leibwächter ihren Wirt auch vor mikrobiellen Erregern schützen können. Dazu verglichen sie die Blätter von Akazienpflanzen, die entweder von symbiotischen oder parasitischen Ameisen besiedelt wurden bzw. mit Akazien, von denen die Ameisen vollständig entfernt worden waren. Es fiel auf, dass Blätter von Akazien, die von parasitischen Ameisen besiedelt wurden, deutlich mehr Blattschädigungen, die durch andere Pflanzenfresser und mikrobielle Krankheitserreger verursacht worden waren, aufwiesen als Blätter von Akazien, die von symbiotischen Ameisen bewohnt wurden. Offensichtlich wirkt sich die Anwesenheit der richtigen Symbiosepartner positiv auf den Gesundheitszustand der Pflanze aus.
Untersuchungen der Blattoberflächen ergaben, dass die Anzahl pflanzenpathogener Erreger deutlich erhöht war und mehr krankes Blattgewebe sichtbar war, wenn Ameisen der Art Pseudomyrmex ferrugineus als Symbiosepartner fehlten. Diese Pflanzen zeigten auch eine deutlichere Immunreaktion in Form einer erhöhten Konzentration von Salicylsäure, einem Pflanzenhormon, das für die Verteidigung gegen Krankheitserreger bedeutsam ist. Genaue Analysen der Bakterienzusammensetzung auf der Blattoberfläche ergaben, dass sich bei Anwesenheit von symbiotischen Ameisen die Bakterienpopulationen veränderten und pathogene Erreger deutlich vermindert wurden. Dieser Effekt war erstaunlicherweise auch bei parasitischen Ameisen zu beobachten, wenn auch weit weniger ausgeprägt.
Pseudomyrmex ferrugineus schützt die Akazie mit ihren Bakterien vor Krankheitserregern.
© Martin Heil, CINVESTAV, Irapuata, Mexico
Wie genau der antimikrobielle Schutz durch die Ameisen auf die Pflanze übertragen wird, ist noch unklar. Die chilenische Forscherin Marcia González-Teuber, Erstautorin der Publikation, vermutete, dass Mikroorganismen, die mit der Ameise vergesellschaftet sind, dabei eine Rolle spielen. Da die Akazienblätter vor allem mit Ameisenbeinen in Berührung kommen, extrahierte sie die Beine von symbiotischen und parasitischen Ameisen, um die Wirkung der Extrakte auf das Wachstum von bakteriellen Keimen im Labor zu testen. Der Pflanzenerreger Pseudomonas syringae reagierte empfindlich auf die Beinextrakte beider Ameisenarten und wurde in seinem Wachstum gehemmt.
Anschließend isolierte und identifizierte die Wissenschaftlerin Bakterienstämme, die in den Ameisenbeinen siedelten. Stämme der Gattungen Bacillus, Lactococcus, Pantoea und Burkholderia hemmten im Labortest wirksam das Wachstum von Pseudomonas-Bakterien, die direkt von kranken Akazienblättern isoliert worden waren. Einige der mit den Ameisen assoziierten Bakteriengattungen sind dafür bekannt, dass sie antibiotische Substanzen produzieren.
Die Wissenschaftler aus Jena haben damit die Symbiose von Ameisen und ihren Wirtpflanzen um eine weitere Symbioseebene bereichert. „Solche wechselseitigen Beziehungen sind viel komplexer als bislang angenommen. In Zukunft müssen wir wohl generell Bakterien und andere Mikroorganismen in unsere Überlegungen mit einbeziehen“, meint Wilhelm Boland, Leiter der Abteilung Bioorganische Chemie am Max-Planck-Institut. Auch die Untersuchungen zu Symbiosen von Ameisen und Ameisenpflanzen müssen zukünftig die Möglichkeit weiterer bakterieller Partner in Betracht ziehen, die den Schutz der Pflanzen durch die Ameisen weiter verstärken.
AO/HR